Wie beeinflusst der Vergabevermerk den Ablauf von IT-Ausschreibungen und Vergabeprozessen?
Der Vergabevermerk ist ein schriftlich niedergelegter Nachweis und umfasst sämtliche Stufen eines öffentlichen Vergabeverfahrens (Ausschreibung und insbesondere auch IT-Ausschreibungen bzw. IT-Beschaffungen) und soll Maßnahmen, Feststellungen und getroffene Entscheidungen darstellen.
Die öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland unterliegt dem Transparenzgebot, Gleichbehandlungsgebot und soll den Wettbewerb fördern, was durch rechtliche Vorschriften sichergestellt werden soll. Der Vergabevermerk stellt deshalb ein wichtiges und gerade bei IT-Vergaben zu beachtendes Instrument zur Einhaltung dieser vergaberechtlichen Grundsätze dar, insbesondere gerade auch um das Risiko von fehlerhaften IT-Ausschreibungen und zeitaufwändigen Nachholungen von Vergabeprojekten zu vermeiden.
Was ist ein Vergabevermerk?
Der Vergabevermerk ist eine schriftliche Dokumentation des gesamten Vergabeprozesses von der Veröffentlichung der Ausschreibung im Ausschreibungsblatt bis hin zur Zuschlagserteilung. Für die Verfahrensdokumentation ist der Vergabevermerk daher äußerst wichtig. Öffentliche Auftraggeber sind zu seiner Anfertigung regelmäßig verpflichtet. Das gilt z.B. für Bund, Land, Städte Kommunen und Behörden. Er dient der Nachvollziehbarkeit und Transparenz als auch einem fairen Wettbewerb.
Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich in § 8 der Vergabeverordnung (VgV) sowie in § 6 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Diese regeln, dass alle wesentlichen Vergabeunterlagen, Angaben, Entscheidungen und Schritte im Vergabeverfahren dokumentiert werden sollen.
Die Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT -Leistungen (UfAB) kann im ersten Schritt dazu unter Umständen Hilfestellungen bietet. Die UfAB IT-Leistungen ist ein Praxisleitfaden für die Durchführung von IT -Beschaffungen kommt aber in der Praxis regelmäßig an ihre Grenzen, wenn es um die Beurteilung von Spezialfragen in der konkreten IT-Ausschreibung geht. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn zu beurteilen ist, ob aufgrund von einem Alleinstellungsmerkmal, wie z.B. Lizenz- und Urheberrechte ausnahmsweise nur mit einem einzigen Bieter verhandelt werden darf oder eine Direktvergabe durchgeführt werden soll. Gerade Ausnahmefälle sind genauestens im Vergabevermerk zu dokumentieren, da Abweichungen von den Vergaberechtsgrundsätzen, insbesondere dem Grundsatz, dass bei Ausschreibungen ausreichend Wettbewerb geschaffen werden soll, abgewichen wird.
Für die Vergabe von IT-Leistungen sind dabei die gleichen Regelungen wie für andere Liefer- und Dienstleistungen anwendbar, namentlich die UVgO sowie die VgV und GWB. Rechtsgrundlage für ein nationales Vergabeverfahren bildet zudem regelmäßig das öffentliche Haushaltsrecht.
Das nationale Vergabeverfahren kennt dabei beispielsweise regelmäßig drei Arten von Verfahren: die öffentliche Ausschreibung, die beschränkte Ausschreibung (mit oder ohne Teilnahmewettbewerb) sowie Verhandlungsvergaben. Der Vertragsschluss im Vergaberecht kommt regelmäßig mit der Erteilung des Zuschlags mit dem ausgewählten Anbieter zu den Bedingungen des Angebots zustande, wobei zu beachten ist, dass der bei IT-Beschaffungen regelmäßig zu nutzende EVB-IT-Vertrag bereits vor Bezuschlagung final erarbeitet und mit den weiteren Vergabeunterlagen, wie insbesondere der Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellt werden sollte.
Sinn und Zweck des Vergabevermerks
Der Vergabevermerk dient der Transparenz, Nachvollziehbarkeit als auch der Rechtssicherheit.
Der Vergabevermerk ist aufgrund seiner Transparenz des Vergabeverfahrens als wirksames Mittel gegen Wettbewerbsverzerrungen anzusehen.
Außerdem ermöglicht er Bietern, einzelne Entscheidungen des Verfahrens nachzuvollziehen, wie z.B. die Gründe für die Auswahl eines Bieters und sorgt daher für Transparenz.
Der Vermerk sorgt zudem für Rechtssicherheit, weil er in Rechtsstreitigkeiten (z.B. im Zuge eines Nachprüfungsverfahrens vor einer Vergabekammer) als Beweismittel dienen kann und dazu beiträgt, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen zu belegen. Dies ist bei allen Fällen von Vergabearten, wie auch (IT-) Rahmenvereinbarungen zu berücksichtigen, ebenso wie bei EVB-IT-Verträgen. Weiter kann der Vergabevermerk für Rechnungsprüfer und für den Fall der Prüfung durch den Zuwendungsgeber relevant werden, gerade bei geförderten IT-Projekten.
Interne Bedeutung hat der Vergabevermerk auch im Zusammenhang mit der Einhaltung von Dienstpflichten und der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung im Sinne von Compliance.
Anforderungen an den Vergabevermerk
Der Vergabevermerk ist regelmäßig bei jeder Vergabe in einer Vergabeakte anzufertigen.
Ein (vollständiger) Vergabevermerk muss verschiedene Informationen enthalten, um den Vergabeprozess umfassend zu dokumentieren. Die Dokumentation muss vollständig, wahrheitsgemäß sowie nachvollziehbar sein.
Grund hierfür ist, dass ein unvollständiger oder fehlerhafter Vergabevermerk zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen kann.
Denn: Rechtsfolgen sind die Aufhebung des Vergabeverfahrens, Prüfung der Vergabevermerke im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens seitens der Vergabekammer als auch Schadenersatzforderungen seitens benachteiligter Bieter.
Der Vergabevermerk dient deshalb auch dem nach der Vorschrift § 97 Abs. 1 GWB im Vergaberecht geltenden Transparenzgrundsatz.
In der Regelung des 8 Abs. 2 VgV ist die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers geregelt, über jedes Vergabeverfahren einen Vergabevermerk anzufertigen.
Dies gilt unabhängig davon, ob das Vergabeverfahren elektronische Plattformen einbezieht oder nicht. Jedes Vergabeverfahren, irrelevant, ob der Auftragswert im Oberschwellenbereich (aktuell liegt dieser für Dienstleistungen bei Auftragswerten über 221.000 €) oder im Unterschwellenbereich (Auftragswerte liegen aktuell unter 221.000 €) der EU-Schwellenwerte liegt, ist von der zuständigen Vergabestelle zu dokumentieren.
Der Vergabevermerk unterliegt nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuch der Textform (das ergibt sich auch aus der Regelung des § 8 Abs. 1 VgV).
Für die inhaltlichen Anforderungen sind die in § 8 der Vergabeverordnung (VgV) geregelten Anforderungen zu berücksichtigen.
Nach § 8 Abs. 2 VgV besteht dabei der Mindestinhalt des Vergabevermerks regelmäßig u.a. aus:
- dem Namen, Anschrift des öffentlichen Auftraggebers / der Auftraggeberin
- Gegenstand und Wert des Auftrags, die Namen aller berücksichtigten Bieter mit Begründung für die Auswahl,
- nicht berücksichtigte Angebote sowie Bewerber ebenfalls mit Begründung für die Nichtberücksichtigung bei der Vergabe,
- Begründung für die Ablehnung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots, die Namen der Bewerber,
- die Gründe für eine Ablehnung von Angeboten, der Name des oder der erfolgreichen Bieter mit Begründung für die Auswahl, ggfs. Begründung für erforderliche Verhandlungsverfahren und wettbewerbsrechtliche Dialoge
- ggfs. Gründe für einen Verzicht des öffentlichen Auftraggebers/-in auf die Vergabe des Auftrags
- Begründungen zur Verwendung nicht elektronischer Mittel bei eingereichten Angeboten sowie Gründe für die Nichtangabe von Zuschlagskriterien.
Zusätzliche Unterlagen und Dokumente, wie beispielsweise Eignungsnachweise der Bieter, Interessenbestätigungen und Teilnahmeanträge, die im Vergabeverfahren relevant sind, sollen ebenfalls im Vergabevermerk dokumentiert werden. Auch beispielsweise die Bekanntmachung sollte dokumentiert werden. Die Kommunikation zwischen Bietern als auch interne Beratungen sind ebenfalls regelmäßig in dem Vergabevermerk zu dokumentieren.
Diese Informationen müssen regelmäßig auch chronologisch und lückenlos in den Vergabevermerk aufgenommen werden. Eine vollständige Verfahrensdokumentation kann bei Ausschreibungen gerade zu Nachweiszwecken und zur Vermeidung von rechtlichen Nachteilen infolge einer nicht vergabekonformen Ausschreibung sehr hilfreich sein.
Dies dient der Nachvollziehbarkeit des gesamten Verfahrens und dient damit wiederum dem oben erwähnten Transparenzgrundsatzes.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass diese Dokumentation auch der Beweiskraft und Nachweisbarkeit der Einhaltung der vergaberechtlichen Vorgaben dient. Das ist häufig in der Praxis äußerst hilfreich, gerade bei gerichtlichen Nachprüfungen von Ausschreibungen, insbesondere von nicht berücksichtigten Bieter.
Zwar gibt es keinen effektiven Rechtsschutz in einem nationalen Vergaberechtsverfahren., also im sog. Unterschwellenbereich bei dem die Unterschwellenverordnung (UVgO) gilt. Allerdings kann im Unterschwellenbereich im Einzelfall oftmals zumindest eine Dienst- oder Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt werden. Ein Recht zum Einschreiten besteht aufgrund dessen aber nicht für den Antragsteller allerdings insoweit regelmäßig nicht.
Interne und externe Unterstützung bei der Erstellung des Vergabevermerks
Daneben ist zu beachten, dass der Auftraggeber in dem Vergabevermerk nachvollziehbar seine Erwägungen zu dokumentieren hat. Diese Begründung sollte nicht oberflächlich bleiben, sondern sich auf den konkreten Auftrag beziehen. Die Vergabestelle selbst muss dabei den Vergabevermerk für die jeweilige konkrete Ausschreibung erstellen und darf diese Verpflichtung regelmäßig auch nicht an andere Stellen delegieren, kann sich aber sehr wohl bei der Erstellung und aufkommenden Fragen intern oder extern unterstützen lassen. Eine solche externe Unterstützung kann gerade auch bei IT-Beschaffungen und IT-Ausschreibungen z.B. durch einen im Vergaberecht tätigen und spezialisierten Rechtsanwalt, eine Rechtsanwältin oder Kanzlei erfolgen.
Ein Vergabevermerk kann regelmäßig dabei auch erst mit Abschluss des Vergabeverfahrens und Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung vorliegen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein ausführlicher Vergabevermerk zwar i.d.R. nach den gesetzlichen nicht erforderlich ist, aber im Hinblick auf die vergaberechtlichen Grundsätze empfehlenswert ist. Das gilt z.B. regelmäßig auch für öffentliche Auftraggeber, für die die Sektorenverordnung (SektVO) gilt.
Der Vergabevermerk ist nach der Regelung des § 8 Abs. 4 VgV regelmäßig für die Dauer der Vertragslaufzeit mindestens aber für drei Tage ab dem Tag der Vergabe des Auftrags aufzubewahren.
Dies dient der Dokumentation und des Nachweises für das jeweilige Verfahren.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist der Vergabevermerk daher ein wichtiges Mittel im Vergaberecht und zeigt alle Stufen des Verfahrens auf. Dadurch dient ein vergaberechtskonformer erstellter Vergabevermerk auch als “Selbstcheck” für den öffentlichen Auftraggeber, also beispielsweite für Behörden, Städte und Kommunen.
Elektronische Vergabevermerke (E-Vergabe)
Zu beachten ist auch, dass mit der Einführung der eVergabe sind auch elektronische Vergabevermerke zulässig sind.
Diese e-vergabe Vermerke müssen dennoch dieselben oben genannten Anforderungen erfüllen.
Inhaltlich ergeben sich daher keine Abweichungen zu dem bisher bei Öffentlichen Auftraggebern, und insbesondere auch Vergabestellen, bekannten Vergabevermerk.
Vorteil an dem elektronischen Vergabevermerk im Rahmen einer e-Vergabe ist daher, dass dieser zumeist besser zugänglich ist und auch archiviert werden kann.
Fazit
Festzuhalten ist: Der Vergabevermerk ist ein zentrales Instrument in öffentlichen Vergabeverfahren zur Sicherstellung von Transparenz, Rechtssicherheit, fairem Wettbewerb sowie Nachvollziehbarkeit für die Teilnehmer des Vergabeverfahrens.
Der Vergabevermerk dient der vergaberechtlichen Absicherung von Ausschreibungen und insbesondere auch IT-Beschaffungen.
Der Vergabevermerk unterstützt außerdem auch bei der Selbstkontrolle für die Verwaltung, also ob die vergaberechtlichen Grundsätze bei der konkreten Ausschreibung durch eine vergaberechtskonforme Dokumentation eingehalten wurden. Dadurch kann das Risiko eines Nachprüfungsverfahrens oder der Notwendigkeit einer Aufhebung, Wiederholung oder Nachholung einer Ausschreibung erheblich minimiert werden.
Mit einem Vergabevermerk kann deshalb nicht nur die gesetzlichen Dokumentationspflicht eingehalten werden, sondern durch einen Vergabevermerk kann auch die Vertrauensbildung in die öffentliche Auftragsvergabe gestärkt werden. Dadurch kann bei Ausschreibungen durchaus auch eine Erhöhung der Anzahl der teilnehmenden Unternehmer und dadurch der Bieter erreicht werden.
Mittelbar kann ein Vergabevermerk daher auch den erfolgreichen Abschluss eines Vergabeverfahrens durch die Vergabe mittels Zuschlag an den passenden Bieter fördern.
Insbesondere für die öffentliche Hand ist es wichtig, alle vorgegebenen Schritte des Vergabevermerks einzuhalten, um sich gegen etwaige rechtliche Angriffe der Vergabe im Nachprüfungsverfahren erfolgreich zur Wehr setzen zu können.
Der Vergabevermerk hilft hierbei insbesondere der Behörde nachzuweisen, dass die Vergabe rechtskonform erfolgte und stellt somit ein wichtiges Beweismittel im Verfahren dar. Dadurch kann eine im ungünstigsten Fall drohende Wiederholung des kompletten Vergabeverfahrens vermieden werden und so personelle und finanzielle Ressourcen und Geld gespart werden.
Das kann insbesondere auch bei geförderten IT-Projekten für Vorgaben aus einem Fördermittelbescheid oder bei Vorgaben durch den Fördermittelgeber wichtig werden.
Wir helfen ihnen gerne bei der rechtlichen Bewertung der vergabekonformen Umsetzung im Rahmen von IT-Beschaffungen.
Wir bieten Rechtsberatung für Behörden, Unternehmen, sowie für Entscheidungsträger in Unternehmen im Bereich von IT-Beschaffung an.
Gerne unterstützen wir sie auch bei weiteren Themen im Bereich IT-Recht, Datenschutzrecht und Vertragsrecht wie beispielsweise bei der Erstellung von IT-spezifischen Leistungsbeschreibungen oder bei der für Ihr IT-Beschaffungsprojekt passenden Auswahl und bei der Gestaltung von EVB-IT-Verträgen.